Kolumbien – Von Medellín bis Bogotá
Kolumbien ist gefährlich und tödlich. Überall Guerilla Kämpfer und Kokain. Schmuck und alles, was nach Geld aussieht, wird direkt gestohlen. Wir sind in Medellín gelandet. Die schusssicheren Westen werden nach der Landung direkt am Ausgang des Flugzeugs für die Touristen verkauft. 160.000 COP kostet eine, ungefähr 40€. Wir haben direkt 4 Stück mitgenommen. Sicher ist sicher. Der Koffer am Gepäckabholband: geöffnet. Die Elektronik fehlt. Dafür Tüten mit gerollten Geldscheinen darin, die uns entgegenblinzeln. Wild fuchtelnd läuft uns bereits ein stark behaarter Mann entgegen und signalisiert uns, unseren Rucksack ja nicht anzufassen! Er sieht nicht freundlich aus und auch nicht wie die Polizist:innen, die grade zufällig alle in die andere Richtung schauen.
So oder so ähnlich hätte es klingen können in einem dramatischen Buch über die Vergangenheit Kolumbiens. Bei uns war es anders. Oder doch nicht?
Wir sind in Medellín gelandet. Aufgeregt zum Paketband gegangen, durch die Einwanderungsschalter durch, Koffer abgeholt und am Geldautomaten im Flughafen erst einmal Geld gezogen. Danach ging es raus zur Straße. Unterwegs wurden wir von diversen Personen angesprochen, ob wir ein Taxi wollen. Natürlich nicht. In unseren Reiseführern wurde gewarnt in irgendwelche Taxis zu steigen. Also erst mal mit einem Uber zur Unterkunft. Werden wir jetzt trotzdem entführt? … Bitte nicht! Aber es war alles in bester Ordnung. Überhaupt, die ersten 1-2 Wochen waren wir doch sehr vorsichtig. Natürlich ist die Zeit von Pablo Escobar vorbei, natürlich waren wir auch schon in anderen Ländern, in denen es hieß: Vorsicht! Und wie wir sehr schnell festgestellt haben: Medellín ist eine Großstadt wie jede andere auch. Es gibt die Stadtteile mit den reicheren Menschen und die Teile mit den ärmeren. Es gibt Busse und eine Metro sowie Taxen und auch Leihräder. Die Menschen waren alle supernett zu uns, aber: nur die wenigsten sprechen Englisch. Glücklicherweise haben wir uns im Voraus schon für 3 Wochen in einen privaten Spanischkurs eingebucht, um die Sprache so schnell und effektiv wie möglich zu lernen. Die Sprachlehrerinnen haben uns gute Tipps gegeben, was wir uns in der Stadt anschauen sollen und/oder auch um die Stadt herum. Außerdem sind wir bei Tatiana in der Wohnung untergekommen, sie hat uns mit ihrer Familie und den 2 Katzen warmherzig in Empfang genommen und uns auch mit vielen Tipps versorgt. Vielen Dank dafür.
Hier auch noch ein kleines Video unserer Gondelfahrt über einen Teil der Stadt.
Wir hatten das große Glück, dass Tina Teucher Tatjana im Vorfeld mit Christian Hasenstab vernetzt hat, der mit seiner Familie in Medellín lebt. Beide haben an der Leuphana Universität den MBA Sustainability Management absolviert. Christian hat sich bereits im Vorfeld Zeit für uns genommen und wir konnten uns in einer Videokonferenz kennenlernen, in der er uns auch seinen Freund Henry Lopez vorgestellt hat. Henry ist Kolumbianer und hat in an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde „Ökologische Landwirtschaft und Ernährungssysteme“ studiert. Die beiden haben uns viele Tipps gegeben und standen uns in Medellín mit Rat und Tat zur Seite. Wir sind total begeistert von ihrer Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft, ihrem Wissen, ihrer Art und dem gemeinsamen Nenner u.a. für Nachhaltigkeitsthemen. DANKE Tina für die Vernetzung und DANKE Christian und Henry für die sehr inspirierende gemeinsame Zeit, eure Tipps und Unterstützung und dass ihr uns einen tieferen Einblick in das Leben und die Kultur Kolumbiens ermöglicht habt.
Auch vielen Dank an Christian, Marta und Henry für das Verköstigen eures selbstgemachten Specks aus Biohaltung und eurer selbst gebrannten Obstschnäpse kolumbianischer Obstsorten. Das war toll!
Einige Tage nach unserer Ankunft hat Henry gemeinsam mit uns Amilbia besucht. Amilbia betreibt mit viel Liebe und Leidenschaft eine städtische Bio-Finca in Envigado (einer Stadt direkt neben Medellín). Sie hat uns sehr herzlich empfangen und uns Einblicke in ihr Reich gegeben. Henry hat uns dabei unterstützt, die Sprachbarriere zu überwinden. Um ihre schöne erholsame Oase herum werden wohlhabende Hochhäuser gebaut. Trotzdem haben wir uns dort gar nicht mehr städtisch gefühlt, obwohl wir doch mitten in der Stadt waren. Amilbia hat uns gezeigt, wie sie verschiedene heimische und eingeführte Gemüse- und Obstsorten und Kräuter anbaut und sie so nebeneinander pflanzt, dass sie gut zueinander passen und sich bestenfalls sogar wechselseitig unterstützen. Sie lässt sich gerne von neuen/ anderen Techniken inspirieren, um sie bei sich selbst auszuprobieren. So hat sie beispielsweise „deutsche“ Hochbeete gebaut, die auch in Kolumbien wunderbar funktionieren. Amilbia baut auf ihrer Finca alles biologisch an, das heißt ohne künstlichen Dünger und ohne Pestizide. In ihrem Garten haben neben einer Vielzahl verschiedener Pflanzen und Bäume viele verschiedene Insekten ihr zuhause. Das ist wirklich großartig und hat Vorbildcharakter. Unter anderem die kleinen Angelita Bienen (lat. Tetragonisca angustula), deren stark antiseptisch wirkender Honig für medizinische Zwecke eingesetzt wird. Als Imkerin hat uns Amilbia einen Blick in einen Bienenstock werfen lassen. Den besonders süß schmeckenden Honig durften wir auch probieren😊. Ihr Obst und Gemüse verkauft sie auf dem hiesigen Markt und für die Biokiste, die Henry wöchentlich für eine feste Kundschaft in Envigado und Medellín zusammenstellt und an diese vertreibt. In Kolumbien sind Biolebensmittel vielmehr die Ausnahme als die Regel. Aber der geschmackliche Unterschied ist so gravierend, als würde man Himmel und Erde miteinander vergleichen. Das durften wir zum einen bei einer Verköstigung durch Amilbia erfahren, aber auch bei einem gemeinsamen Abend bei Henry, wo wir unter anderem sein selbstgemachtes Brot, Käse und schöne saftige Tomaten probieren und sehr viel über Land und Leute lernen durften. DANKE Henry und Amilbia für diese unvergesslichen Erlebnisse und Einblicke.
Medellín bzw. Kolumbien ist unser Einstiegstor zu Lateinamerika. Wir beide waren noch nie in Südamerika. Doch wie sah so ein Tagesablauf bei uns aus, in den 3 Wochen?
Morgens früh aufstehen und fertig machen. Duschen und Frühstücken. Danach erst einmal Vokabeln lernen und die Grammatik wiederholen. Nebenbei noch ein bisschen organisatorisches Zeug machen und auch etwas weiter die Reise planen. Mittags in einem der vielen Imbisse unterwegs zur Sprachschule etwas essen. Meistens das Menu del día, was Reis (arroz) mit Bohnen (frijoles) mit Fleisch (carne) und Bananenchips (patatas) war. Alternativ zum Fleisch gab es Fisch (pescado) oder Ei (huevo). Als Vorspeise eine Suppe (sopa) und dazu als Getränk ein frischer Fruchtsaft oder Panela, speziell verarbeiteter Rohrzucker in Wasser aufgelöst :-). Da wir beide meistens vegetarisch unterwegs waren, wurde das Fleisch entweder durch Ei (huevo) oder durch etwas anderes ersetzt, z.B Käse (queso). Danach ging es von Montag bis Freitag von 13:30 – 15:30 Uhr zum Spanischunterricht. Nach dem Unterricht hatten wir dann Zeit, uns die Stadt anzuschauen… Außer am Montag und Mittwoch von 17:00 – 19:00 Uhr. Hier haben wir in der Primed Community mitgeholfen. Was die Primed Community ist, wird gleich erklärt 🙂 und um 19 Uhr, nach den Englisch-Lektionen, ging es dann zurück, sodass wir meistens gegen 21/22 Uhr wieder in der Unterkunft waren, um den Tag ausklingen zu lassen.
Nun ja, am Wochenende ging es dann auf etwas größere Erkundungstouren in und um Medellín, aber dazu auch gleich mehr 🙂
Die Lautstärke der Stadt und der Verkehr haben uns nach den ruhigen Erfahrungen in Australien, Neuseeland und den USA doch ziemlich mitgenommen. So viele Motorräder und Motorroller, die kreuz und quer über die Straße düsen, so viele kleine gelbe Taxis, die sich in jede noch so kleine Lücke quetschen und die rappeligen Busse, die überall am Straßenrand anhalten, wo jemand einsteigen oder aussteigen möchte… Dazu der Dauereinsatz der Hupe … Hauptmotive: auf sich aufmerksam machen und zeigen, dass man da ist und jetzt vorbeifährt oder sich in eine Lücke quetscht und sich bei anderen Verkehrsteilnehmern bedanken… Die Abgase… ungefiltert… Aber wir denken, dass uns das im weiteren Verlauf unserer Reise begleiten wird. Gewöhnt haben wir uns jedenfalls bis heute nicht an den Krach und wir suchen immer mehr nach Orten, an denen es ruhig ist, was teilweise extrem schwer ist.
Wie schon erwähnt, die Kolumbianer, denen wir begegnet sind, sind alle sehr herzlich. Z.B haben wir auf der Straße oft nach dem Weg gefragt und dabei direkt noch ein paar Tipps bekommen. Sei es zu Sicherheitsthemen, wie dass wir abends hier nicht langlaufen sollten oder zu besonderen Punkten, die wir uns in der Stadt auf jeden Fall angucken sollten, war alles dabei. Die Kolumbianer sind auch alle sehr positiv, was ihre Zukunft angeht, und möchten die Vergangenheit hinter sich lassen. Nicht Drogen, Kokain, Pablo Escobar … Nein… Leben, Feiern, Tourismus, Frieden… das ist das Kolumbien der Zukunft und dieses Gefühl wurde uns auch von allen Seiten vermittelt.
Wegen der Lautstärke, hier ein Beispielvideo aus einer Mall an der wir am ersten Tag waren. Ihr könnt uns gerne glauben, der Schall hat sich in den Gängen der Mall so ausgebreitet, als ob wir direkt an der Bühne dran sitzen würden.
Primed Community
Auf unserer Reise möchten wir sehr gerne mehr über die Kulturen und Menschen erfahren und auch etwas zurückgeben. Quasi überall dort wo wir sind einen positiven Einfluss nehmen, wenn wir dies tun können. Und was ist meistens der Grund warum man nichts von anderen Menschen im Ausland erfährt und nicht mal eben so ein bisschen Smalltalk machen kann? Genau! Die Sprache. So wie Tatjana und Artur Spanisch lernen, so gibt es auch von der anderen Seite das Bedürfnis Englisch zu lernen. Theoretisch lernen die kolumbianischen Kinder Englisch in der Schule, aber so rudimentär und schlecht, dass wenige es später sprechen können. Ausgenommen Privatschüler natürlich. Die Primed Community ist ein Verein in Medellín, der sich auf die Fahne geschrieben hat, pro Jahr in einem Stadtteil, 2x wöchentlich für 2 Stunden Englischunterricht zu geben. Der Stadtteil wechselt jedes Jahr, sodass alle benachteiligten Stadteile eine Chance haben teilzunehmen. Catalina, die Organisatorin und das Sprachrohr des Vereins und Tom, der Englischlehrer machen das alles ehrenamtlich. Zusätzlich zu Tom unterstützen, bei den Unterrichtseinheiten, noch 3-5 Volunteers (Freiwillige), je nachdem wie viele sich grade dafür melden und an dem Tag können. Als wir geholfen haben waren wir grade im Stadtteil Moravia. Dazu gleich mehr. Im Kurs waren etwa 5-15 Personen, welche teilweise noch ganz wenig gesprochen haben und manche waren schon sehr sicher und flüssig unterwegs. Die Klasse war super drauf und hat uns offen und sehr herzlich begrüßt und war sehr interessiert an uns. Unser Mitwirken hat uns mega Spass gemacht und mit der ein oder anderen Person haben wir auch privat etwas unternommen.
An die Schüler:innen: Vielen lieben Dank euch allen und viel Erfolg auf eurem weiteren Lebensweg. Ihr werdet eure Ziele sicherlich erreichen! Ihr seid toll. Wir denken bis heute an euch und vermissen die gemeinsamen Abende mit euch.
Wenn ihr diesem Projekt etwas spenden möchtet, hier ist der Spendenlink. Wir haben gesehen wozu das Geld investiert wird und können auf jeden Fall ruhigen Herzens für dieses Projekt sprechen. Auch 5 Euro oder nur 1€ reichen bereits, um zum Beispiel Stifte für die Tafel oder anderes Material zu kaufen.
Spendenlink (Paypal): Donar (paypal.com)
Webseite der Organisation: Primed Home – Primed Community
Moravia
Moravia war der Stadtteil in dem wir am Englischunterricht als Volunteers unterstützt haben. Außerdem haben wir mit Fredy, der dort wohnt und einen ein kleines Künstleratelier besitzt eine Freundschaft geschlossen, die über die Wochen hinausgeht. Mit ihm zusammen haben wir den Stadtteil etwas erkunden können. Zusätzlich auch noch über eine offizielle Tour bei der Fredy und Antony die englische Übersetzung gemacht haben. Moravia war in den 70er/80er Jahren noch die Mülldeponie von Medellín. Einige Menschen lebten dort auf den Müllbergen und sortierten den Müll. Dinge, die zum Häuserbau benutzt werden konnten, wurden verwendet. Alles, was Geld brachte beim Verkauf wurde aussortiert und verkauft und auch wenn es das Wort damals noch nicht so gab: Upcycling wurde überall ganz großgeschrieben. Nach diversen Relokationsprojekten der Stadt wurde Anfang der 2000er der Müllberg mit Pflanzen und Vegetation überzogen. Natürlich ist diese Transformation nicht ohne Probleme verlaufen. Die Menschen bauten Nahrungsmittel an und wurden krank, also mussten Bildungsarbeit geleistet werden, dass so ein Anbau nicht einfach so möglich ist. Daraus resultierten diverse Gärtnereien und „Baumschulen“, in denen die Bevölkerung lernen kann, eigene Topfpflanzen zu ziehen. Zusätzlich kam es regelmäßig zu Explosionen durch austretendes Gas. Als Resultat sind überall auf dem Müllberg heute Belüftungsrohre verteilt, die das Gas kontrolliert ablassen.
Heute ist Moravia ein Stadtteil dessen Vergangenheit man nicht mehr sieht. Es wimmelt von kleinen Straßen, durch die sich die Motorradfahrer und Taxis schlängeln. Überall Restaurants, Geschäfte, Barbershops und Musik. Ein fröhliches und leicht gestresstes treiben, wo aber überall noch Zeit für ein kleines Pläuschen und viele Parties ist. Uns hat Moravia sehr gefallen und jedem der nach Medellín geht können wir eine Tour durch diesen Stadtteil (Communa 4) empfehlen. Und wenn noch etwas Zeit ist, dann auch bei Fredy im Geschäft Llevatealguitopues vorbei gucken. 😉
Granada
Henrys Empfehlung folgend, sind wir mit dem Bus gemeinsam mit Nathalia, die wir im Englischunterricht kennengelernt haben, nach Granada gefahren. Entfernung von Medellín: ca 70km, Zeit im Bus: ca 2 Stunden.
Ziel des Ausfluges: der Besuch von TejiPaz. Eine Organisation, die sich Friedensarbeit zum Ziel gesetzt hat und die Opfer wie auch die Täter (ehemalige Guerilla und Paramilitär) vergangener Gewaltakte dabei zu unterstützen ihr verlassenes Land wieder zu bewohnen und bewirtschaften und in Frieden miteinander zu leben. Die angebauten Produkte werden über den Verein zu fairen Preisen verkauft. Das Hauptaugenmerk liegt auf Kaffee, aber auch Schokolade, Trockenfrüchte und z.B. Müsliriegel gehören zum Sortiment. Schirmherrinnen sind Gloria Ramírez Arias und Claudia Giraldo. Beide arbeiten Hand in Hand und wir haben sehr lange mit Gloria in ihrem Café gesprochen. Gloria ist eine sehr starke Frau. Ihr Erscheinungsbild ist imposant und ihre Geschichten haben uns mitgenommen, gefesselt und auch sehr traurig und doch hoffnungsvoll gemacht. Uns allen standen Tränen in den Augen als sie uns von den Gräueltaten in der der Vergangenheit Kolumbiens erzählt hat. Familien wurden mit Gewalt auseinandergerissen, wo wegen eines ausgesetzten Kopfgeldes auf Paramilitär-/Guerilla-Kämpfer viele unschuldige Personen „verschwunden“ sind, um das Kopfgeld zu erhalten. Vielen Familien sind unter anderem wegen der Gewalttaten geflüchtet und haben ihre Ländereien und Lebensgrundlagen zurückgelassen. Doch nach der Schreckensherrschaft kam die neue Zeit. Die Geflohenen kehren langsam zurück und brauchten Hilfe. Hilfe besonders bei dem Wiederaufbau ihrer Existenzen auf ihrem eigenen Land. Hilfe bei der Organisation und der Entwicklung in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft, die langfristige Lebensgrundlagen bietet. TejiPaz unterstützt die Menschen dabei und hilft Wissen aufzubauen, zu teilen und leitet Sozialarbeit bei der Bewältigung der Vergangenheit und der Aufbau einer friedvollen und lebenswerten Zukunft in Granada. Diese positive Einstellung und diese Friedensarbeit hat uns zutiefst inspiriert und begeistert.
Sonsón
Sonsón ist eine Stadt, die über 2475m über dem Meeresspiegel (ü. N.N.) liegt und 115km von Medellín entfernt ist. Hier leben ca. 20.000 Einwohner. Eigentlich verirren sich nicht viele Touristen nach Sonsón und wir hätten es auch nicht. ABER, wir hatten die einmalige Gelegenheit eine Avocado Finca zu besuchen. Henry hat das für uns organisiert und Kontakt mit Gilberto aufgenommen. In Sonsón angekommen hat uns Gilberto auf seiner Finca herzlich empfangen. Er hat ich sehr viel Zeit für uns genommen und uns alles erklärt und gezeigt. Sehr überrascht waren wir davon, dass eine Avocado ein ganzes Jahr braucht, bis sie reif ist, um gepflückt zu werden. Ein ganzes Jahr! Geerntet wird 2x im Jahr mit der Unterstützung von Erntehelfern. Danach wird sortiert in 1. Wahl zum Export, 2. Wahl zum Verkauf in Kolumbien und die 3. Wahl, die dann zur Weiterverarbeitung für z.B. Brotaufstriche oder die weltberühmte Guacamole verwendet werden. Die Sorte „Hass“, die wir aus den Supermärkten alle kennen, welche sich im reifen Zustand schwarz verfärbt, wächst in einem Teil seiner Finca. Da die Früchte nach dem Pflücken innerhalb von ein paar Tagen nachreifen und dann nur noch verschimmelt und nicht mehr genießbar in Europa per Schiff ankommen würden, werden die Avocados gekühlt transportiert. Dazu gibt es spezielle Kühlcontainer. Im Anschluss in z.B. Deutschland angekommen möchten wir ja keine 5 Tage warten, bis wir unsere „frische“ Avocado aufs Brot schmieren können, also wird die Avocado mit Ethylen behandelt. Einem Gas, was den Reifeprozess beschleunigt. Gleiches wird auch mit verschiedenen Obstsorten gemacht. Ein Tipp von Gilberto: Reife Bananen strömen dieses Gas auch aus. Einfach eine rohe Avocado zu den Bananen legen und die reife Avocado in 1-2 Tagen essen.
Der Anbau der Superfrucht ist sehr wasserintensiv, das ist mit ein Grund, warum in Kolumbien nicht überall alles angebaut werden kann, sondern es Gebiete gibt in denen vermehrt Avocados wachsen, Gebiete in denen Bananen in Hülle und Fülle angebaut werden oder andere Früchte. In Sonsón herrscht ein mildes Klima mit ausreichend Regen. Trotzdem gilt auch hier, wenn es regnet, muss das Wasser kontrolliert über die Pflanzen geführt werden. Dazu hat Gilberto natürliche Wasserläufe nachgebaut, um das Regenwasser zu kanalisieren und zu lenken.
Die meisten Fincas/ Plantagen (weltweit) werden konventionell also nicht in biologischer Landwirtschaft betrieben. Das bedeutet, es werden industrieller Dünger und Pestizide genutzt, um den Ertrag maximal zu steigern und der Anbau erfolgt überwiegend in Monokulturen. Das bedeutet, dass es neben den angebauten Früchten kaum noch Biodiversität gibt. Industrielle Pestizide und Düngemittel sind wesentliche Ursache für das Artensterben, was die Lebensgrundlagen für uns Menschen gefährdet und zerstört. Es gibt gute Alternativen dazu! Mehr dazu findet ihr in dem Abschnitt zu Amilbias Bio Finca und im nächsten Artikel beim Thema Permakultur.
Achso, worüber sich auch die wenigsten von uns Gedanken machen beim Einkaufen: auch wir zähen teilweise dazu, ist, was im Hintergrund für ein Aufwand nötig ist, damit wir z.B. eine konventionelle Avocado für € 3,20 pro Kilo zum Frühstück essen können: Dies ist ein exemplarischer Weg nagelt uns bitte nicht auf die genaue Anzahl der Schritte Stationen fest.
- Böden für die Bepflanzung fruchtbar machen und halten
- Baum pflanzen
- 3 Jahre warten bis der Baum die ersten Früchte trägt. Dazu beim konventionellen Anbau regelmäßig düngen und mit Pestiziden “beschützen“. (Diese müssen ebenfalls produziert und angeliefert und ausgeteilt werden – Stichworte CO2, Biodiversität)
- Ernten mit Erntehelfern und in Kisten packen (leider häufig unter Missachtung der Menschenrechte und zu einem nicht existenzsichernden Lohn)
- Kisten auf einen LKW laden und zum regionalen Großhandel bringen
- Kisten auspacken und sortieren und neu verpacken nach Güteklassen.
- Weitertransport zum Exporteur/Großhandel für den weltweiten Markt.
- Bereits hier schon in die Verkaufsverpackung packen oder als lose Stückware in Kisten packen.
- Laden in den Kühlcontainer
- Container zum Hafen fahren
- Aufladen auf ein Frachtschiff
- Fahrt nach Deutschland (3-8 Wochen)
- Ankunft im besten Fall in Bremen oder Hamburg, im schlimmsten Fall umladen in Spanien, Frankreich, Belgien oder in den Niederlanden und dann Weitertransport via Schiff, Bahn oder LKW.
- Weitertransport vom Container zum Großhändler in Deutschland
- Vorreifung eines Teils der Ware zum schnelleren Verzehr
- Weitertransport zum Verteilerzentrum für Supermarktketten
- Weitertransport in die Filiale bei dir ums Eck
- Kühlung der Ware bis sie ausgelegt wird
- Kauf der Ware und Transport nach Hause
- Kühlung bis zum Verzehr oder Lagerung bis zum Verzehr
Da der Erhalt unserer Lebensgrundlage unser aller Verantwortung ist, möchten wir zu dem Motto Qualität (Bio) statt Quantität oder anders weniger ist mehr ermutigen! UND es gibt viele regionale Superfrüchte, die wir am besten saisonal und bio genießen können. Für alle, die sich tiefer mit dem Thema beschäftigen wollen stellen wir hier einen interessanten Link ein: Heimisches Superfood: Alternativen zu Chia, Acai, Matcha etc. – Utopia.de (Externer Link zu Utopia)
Der andere Teil der Avocados die Gilbertos auf seiner Finca anbaut, ist die Sorte Reet, welche grün bleibt, sich aber in der Festigkeit ändert wenn sie reif ist. Diese Sorte ist auch diejenige, die meistens in Kolumbien und den anderen Ländern drum herum verwendet und genossen wird. Achso… habt ihr euch schon mal Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn eine Biene eine Blüte einer Avocado der Sorte Hass anfliegt und dann eine Blüte der Sorte Y? Genau. Dann kommt es zur Kreuzung zweier Arten und das Resultat is eine undefinierte Mischung die nicht als erste Wahl verkauft werden kann. Hier kann sich nicht vorhergesagt werden, ob es jetzt mehr Hass ist oder mehr Y. Gilberto hat uns zum Abschied ein paar Avocados zum probieren direkt vom Hof mitgegeben. Sie haben uns sehr gut geschmeckt! 🙂
Erst kurz vor unserer Reise haben wir erfahren, dass in Sonsón an diesem Wochenende das in Antioquia, dem Bundesland in dem Medellín liegt, ein riesiges Fest stattfindet. Das Fiesta de Maíz (Maisfest). Deshalb war die Stadt an diesem Wochenende ausgebucht und randvoll! Wir konnten es kaum glauben, als wir durch die Straßen gelaufen sind und Personen auf Pferden an uns vorbeigetippelt sind. Abends dann stand das Pferd draußen vor der Bar und wurde mit einer langen Leine vom Gaucho (dem Cowbow) festgehalten. Nach ein paar alkoholischen Getränken ging es dann auf dem Pferd zurück heim. Ob es eine Promillegrenze auf Pferden gibt, konnte uns keiner beantworten. 😊 Wir wurden für die Frage nur belächelt. Hier ein paar Impressionen aus Sonsón und vom Fiesta de Maíz.
Und für alle die sich jetzt fragen, ob wir uns akklimatisieren mussten, wegen der Höhe… Ähm… Ja 😉 Artur konnte nur auf dem Rücken oder der Seite schlafen, weil er auf dem Bauch nicht genug Sauerstoff bekommen hat und Tatjana war etwas schneller außer Puste… Das hat sich nach 2 Tagen aber gelegt. Die anderen Symptome der Höhenkrankheit hatten wir glücklicherweise nicht. Aber auf unserer weiteren Reise stehen auch noch Höhen von 3000 – 5000m auf dem Plan. Wir werden euch auf jeden Fall berichten.
Zona Cafetera und die Wachspalmen
Kolumbien und Kaffee ist wie Deutschland und Bier. Es gibt hier sehr viele Kaffeeplantagen und auch ein bekanntes Gebiet, in denen sich diverse Kaffeeplantagen tummeln. Die sogenannte Zona Cafetera. Hier sind wir auf dem Weg von Medellín nach Bogotá mit dem Bus angehalten und haben ein paar Tage verbracht. Dabei haben wir natürlich die ein oder andere Kaffeeplantage besucht und auch Touren gemacht und uns über Anbau, Verarbeitung und Zubereitung erkundigt. Was sonst? 😉 Einiges zum Kaffeeanbau haben wir tatsächlich schon vorher bei unserem Ausflug zu Tejipaz in Granada sowie von Henry gelernt. Die Kaffeekultur in Kolumbien ist quasi nicht vorhanden oder nur bei den wohlhabenderen Bevölkerungsteilen etabliert. Am Straßenrand wird zwar überall Kaffee verkauft, aber dabei handelt es sich dann eher um selbstgemachte Mischungen aus Milchpulver, viel Zucker und Kaffeepulver, welche aber 1 zu 1 so schmecken wie die Fertigmischungen von diversen Herstellern in Deutschland. Und dann gibt es den „richtigen“ Kaffee. Dieser war aber für unsere Gaumen sehr sauer. Auf unseren Wegen durch Kolumbien haben wir gelernt, dass die erste Wahl von allem, was angebaut wird für den Export bestimmt ist. Im Land selbst bleibt nur die 2. und 3. Wahl und das schmeckt man leider auch teilweise… Was den Anbau angeht gibt es leider sehr viele Defizite, wie wir feststellen mussten, aber auch die ein oder andere Plantage, welche sich auf gutem Weg befindet oder bereits 100% organisch ist. Die meisten Plantagen sind jedoch noch konventionell unterwegs. Das krasseste Erlebnis war eine Plantage, welche diverse Zertifizierungen hatte, unter anderem auch RFA und mit Organic-Kaffee geworben hat. Nach ein paar Rückfragen von Tatjana kam dann aber heraus, dass der Anbau nur zu „60%“ organic ist. Zu 40 % kommen konventioneller Dünger und konventionelles Pestizid ☹ zum Einsatz. Das bedeutet für uns, dass Kaffee dort insgesamt nicht biologisch angebaut wird. Bei den Begegnungen die wir dann aber auch mit 100% bio produzierenden Farmern gemacht haben, haben wir auch gelernt, dass unter anderem die großen Verbände, die den Kaffee abkaufen und für den Verkauf und Export an die Kaffeebörse bringen, den Bauern unter anderem den Dünger sowie die Unkrautvernichter und Pestizide vorschreiben und auch den Preis diktieren, was ein Bauer bekommt. Teilweise weiß der Bauer gar nicht, was sein Kaffee wirklich wert ist und so kann ein Bauer der Top Bohnen produziert das gleiche bekommen, wie ein Bauer der nur Mittelklasse Bohnen produziert. Viele Kleinbauern, die 100% bio unterwegs sind haben auf der anderen Seite aber auch nicht die Zertifizierungen, auf welche die Käufer achten, weil diese einfach zu teuer und/oder zu aufwändig sind für ein kleines Familienunternehmen, was vielleicht grade einmal 200kg Kaffee im Jahr produziert. Diese Kleinbauern versuchen den Kaffee dann in den nächstgrößeren Städten oder in den Touristenregionen direkt zu vermarkten, um über die Runden zu kommen. Und auch wenn sie probieren wollen würden den Kaffee zu exportieren, gibt es dann einen Verband, über den der Export geregelt wird und bei dem der Kaffeebauer für Exportgeschäfte Mitglied sein muss. Wie wir gelernt haben, gibt es auch große Unternehmen in den Niederlanden und Frankreich, die sich selbst um den Export kümmern und direkt von den Kleinbauern kaufen… Ob das so stimmt, wie das funktioniert, konnten wir aber noch nicht herausfinden. Da haben wir noch Rechercheaufgaben für die Zukunft. 😊
Genug vom Kaffee jetzt… Kommen wir zu den ca. 60m hohen Quindio-Wachspalmen, die wir uns in Salento (Valle de Cocora) angeschaut haben. Diese sind schon sehr beeindruckend, vor allem, dass die in einem speziellen Gebiet in Kolumbien so geballt vorkommen. Sie gilt als die höchste Palmenart der Welt und ist der Nationalbaum Kolumbiens. Hier ein paar Eindrücke von unserer Wanderung 12km Wanderung über Stock und Stein und Berg auf und Berg ab…
Hier noch ein paar weitere Eindrücke aus der Zona Cafetera, zu denen wir wieder vieeeeeles schreiben könnten, hier aber die Bilder sprechen lassen :
Und ein kleiner Ausschnitt, wie es ist, mit dem öffentlichen Bus über eine Schotterpiste zu fahren 🙂
Bogotá
Die Hauptstadt Kolumbiens, Bogotá, wurde von uns auch besucht 😊Uns kam die Stadt ein wenig „rough“ (rau) vor. Es ist schwer zu beschreiben. Wir haben von vielen Kolumbianer:innen im Vorfeld gehört, dass die Stadt aus einem riesigen Stau besteht. Uns wurde gesagt, dass es gefährlicher ist als in vielen anderen Städten in Kolumbien und wir aufpassen sollen. Als wir in Bogotá mit dem Bus eingefahren sind und durch die Vororte gefahren sind, konnten wir uns bereits ein Bild machen, was die Menschen, mit denen wir über Bogotá gesprochen haben, meinten. Am Bushof angekommen war tatsächlich ultra viel Verkehr. Der Taxifahrer meinte an jeder Ecke, wo wir ihn gefragt haben, ob das hier sicher ist: „Ja, aber nicht nachts“ oder „Nein“. Wir haben uns davon nicht abschrecken lassen und mit Vorsicht und einem scharfen Rundumblick über alle Personen in unserer Umgebung die Stadt ein wenig erkundet. Auch hier haben wir sehr viele sehr freundliche Menschen getroffen. Die Gastro- und Party-Szene in Bogotà fanden wir toll. Auch die Ecken der Stadt, die wir besucht haben, haben uns sehr gefallen und das sogar so sehr, dass wir kurz alle Sicherheitsbedenken vergessen hatten. Insbesondere die Altstadt wirkte auf uns mondän, der koloniale Einfluss ist an vielen Ecken gut zu erkennen. Hier ein paar Impressionen die wir gerne mit euch teilen möchten:
Auf der Fahrt von der Zona Cafetera nach Bogotá wollte ein Mitfahrer gerne seine Gitarrenspielkünste üben. 🙂 Die ersten 20 Noten haben wir etwa 30 Minuten lang gehört, danach ging es etwas weiter. Nach 2 Stunden etwa kam dann dieses Kunstwerk heraus. Wir wussten nicht ob wir klatschen oder mitsingen sollen. Wir waren da noch nicht so Textsicher bei diesem Lied.
Tatjana hat sich in Bogotá mit zwei Professoren für Wirtschaft und Menschenrechte an der Universidad Externado de Colombia, Julian Tole Martínez und Manuela Losada Chavarro getroffen. Der Austausch zu den guten Beispielen aber den Herausforderungen der Menschenrechtsarbeit in Südamerika war fantastisch und sehr aufschlussreich. Ein großes Danke an Daniel Schönfelder für die Vernetzung!
Wir haben unsere Reise mit dem Wunsch begonnen, viel zu erleben, zu genießen und uns auch persönlich weiterzuentwickeln. Wunderbare Werkzeuge für die persönliche Weiterentwicklung bieten die Inner Development Goals (Inneren Entwicklungsziele). Es handelt sich dabei um eine globale Initiative, die sich darum bemüht, Menschen und Organisation bei der Entwicklung der inneren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Qualitäten zu unterstützen, die wir für ein fruchtbares Miteinander benötigen, um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) gemeinsam erreichen zu können. Hierzu hatte Tatjana einen sehr spannenden Austausch, mit dem Leiter des kolumbianischen IDG Hubs in Bogotá, Carlos Largacha-Martinez, Ph.D. Wenn hier euch auch tiefer mit diesem Thema beschäftigen möchtet, findet ihr hier weitere Informationen: Inner Development Goals
Besonders empfehlenswert ist auch die kostenlose App 29k: Mental Health & Wellbeing – 29k Your Inner Development App and Supportive Community

Nach Bogotá geht es an die Karibikküste (der nächste Beitrag kommt früher als erwartet :-))
Von Columbien kenne ich nur Cartagena, die mir sehr gut gefallen hat. Wir waren zum Umsteigen im Flughafen Bogota und auch wenn nicht so dramatisch war wie bei eurem (fake) Anfang, war sehr unangenehm. So dass ich gedacht habe: nie Columbien. Eure Erfahrung ist (Gott sei Dank) anders aber auch, nehmen ich an, dank der guten Vorbereitung und den vielen Kontakten Vorort. Alles sehr interessant. Asta la vista!
Wow, DANKE euch für all die wunderbaren Eindrücke, lehrreichen Texte und schönen Fotos. Bei dem handbetriebenen Karussel musste ich laut lachen, was aber schnell in Bewunderung für die Kreativität der Menschen umgeschlagen ist. Ich freue mich riesig, dass die Vernetzung mit Christian und Henry solche Früchte getragen hat. Buen viaje!